Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2010 04.12.

Sons Of the Desert

Derzeit werden in der Lokalpresse wieder Superlative verteilt, als gelte es, sie noch schnell vor dem Verfalldatum an den Mann zu bringen. Da wimmelt es nur so von Gruppen, die „Blues vom Feinsten“ bieten, da werden Lokalmatadoren als „Weltklassebands“ gepriesen. Deshalb fehlen einem Kritiker, der sich um eine inhaltlich korrekte Wertung bemüht, die Wörter, wenn einmal wirklich etwas „was taugt“. 
Den „Sons Of The Desert“ soll dennoch Gerechtigkeit widerfahren: Sie waren gut, schlicht und ergreifend gut. Das zahlreiche Publikum in der Kneipenbühne konnte am vergangenen Samstag mit Augen und Ohren genießen, wie vier unprätentiöse Herren aus München ein musikalisches Juwel nach dem anderen aus ihren Marokkofezen zauberten. Gekleidet in Hawaiihemden und geschmückt mit Blumengirlanden, boten sie auf ihren Metallgeräten köstliche Grooves, virtuose Soli, im Stil sichere Arrangements, hinreißenden Gesang. Da gab es Blues, wie man ihn gerne hört: filigran, intelligent, kunstfertig, von urbaner Eleganz - oh ja, die Zwanziger- und Dreißiger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatten es in sich, und Rainer Wölffler, Hans O. Graf, Leopold Stepanek und Reinhold Pelz wussten in jeder Sekunde ihres Auftritts, wie man die alte US-amerikanische Musikkultur überzeugend präsentiert.
Die vier spielten fast ausschließlich auf glänzenden Resonatorinstrumenten: unter dem Sammelsurium an gediegenem Blech waren National-Steel-Gitarren, mit Bottleneck zu bedienende Squarenecks, eine Tenorgitarre, Mandolinen, Ukulelen - nicht zu vergessen das mächtige Sousaphon, ein Waschbrett mit angehängtem Splashbecken, ein Kazoo mit montierter Flüstertüte und eine singende Säge, letztere übrigens mit unerhörter Treffsicherheit gestrichen von Reinhold Pelz, der sich als ein musikalischer Tausendsassa erwies, gewaschen mit allen Wassern. Denn nicht nur Blues in seinem ganzen Facettenreichtum stand auf dem Programm der gutgelaunten Freunde, sondern auch herzzerreißende Hawaiimusik - das erklärt den einen Teil des Outfits der „Wüstensöhne“ -, Vaudeville, Jazz, russische (jawohl!) Folklore und Ragtime. Ihren Namen „Sons Of The Desert“ haben sie übrigens vom genialen Filmduo Laurel und Hardy entliehen: das begründet den anderen Teil ihrer Ausrüstung, ihre nordafrikanischen Kopfbedeckungen. 
Von viel Herzlichkeit und einer großen inneren Wärme gestärkt, konnte das Publikum nach einem dreistündigen Mammutkonzert - Überraschungssession inbegriffen - getrost den Heimweg über die winterlichen Straßen antreten.