Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2009 19.09.

Jon Strong

Jim Croces „Don’t mess around with Jim“, Jackson Brownes „Rosie“, Lowell Georges „Willing“ und die unglaublichen „Sailing Shoes“; Rod Stewarts „Mandolin Wind“, „Rain“ von den Beatles, Neil Youngs „Old Man“: Jon Strong, ein Barde aus Nordengland, baute in sein Programm neben den ebenbürtigen Eigenkompositionen auch Juwelen aus der Popgeschichte ein und spielte sich am Samstag Abend für seine Kneipenbühnenfans auf hohem gitarristischem Niveau voller Gefühl die Seele aus dem Leib. Sein Gesang, gleichzeitig glasklar und von intensiver Wärme auch in den höchsten Bereichen, wurde oft beschrieben als eine Mischung aus Clapton und Sting; nun ja, man muss nicht unbedingt eine Schublade bedienen, um zu sagen, dass etwas einfach schön ist. 
Der gute Freund und musikalische Wegbegleiter des viel zu früh verstorbenen Gitarrengenies Christopher Jones beschwor dessen Geist in dem gut gefüllten Klassenzimmer. Jones hatte am 1. September 1984 (vor einem Viertel Jahrhundert!) die Herzen des Publikums in der damals noch jungen Kneipenbühne bewegt - Jon Strong tat das mit exakt denselben Covers wieder. Seine Eigenkompositionen, oft auf der offen gestimmten Gitarre präsentiert, hatten es - wie gesagt - ebenfalls in sich, musikalisch wie textlich, denn Strong ist einer, der genau hinsieht. Bei seinen Liebes- und Beziehungsliedern spürte man als Zuhörer kritische Distanz und tiefe Empfindsamkeit. Die politische Abteilung hingegen war ebenso witzig wie böse. Zu Zeiten des kalten Krieges ertönten probehalber die Sirenen und man wurde aufgefordert, innerhalb der verbleibenden vier Minuten (vor der Explosion einer Atombombe) noch etwas Sinnvolles zu tun: „Nun ja, man hätte sich ein Ei kochen können. Allerdings wäre keine Zeit mehr verblieben, um es zu verspeisen.“
Mit abgeklärter Bitterkeit wies Jon Strong darauf hin, dass simple Windbeuteleien oft zu enormem Erfolg führen, zu Erfolg, der fassungsloses Kopfschütteln hervorrufen muss bei allen, die auch nur ein kleines bisschen von der Materie verstehen: als Beispiel führte er Cliff Richard an, den er offensichtlich „richtig gut leiden kann.“ 
Wenn man es mit Jon Strongs Augen sieht, ist es in der Tat nicht zu verstehen, warum einer, der perfekt spielen und singen kann - und das auch noch mit gefühlvoller Intensität und unverwechselbaren klugen Texten, statt Stadthallen gerade einmal halbwegs ein Klassenzimmer füllt, während ein anderer, der zur Not drei bis fünf Akkorde zu schrubben in der Lage ist, bei jedem zweiten Ton falsch singt und nichts als armselige Texte zum Besten gibt, als eine Offenbarung gehandelt wird.
Nun ja, „It’s a sad and a beautiful world.“ Traurig, weil ebenso schwachsinnig wie ungerecht - und wunderschön, weil es solche wie Jon Strong gibt: weil alle Kneipengäste mit dem Gefühl nach Hause gehen konnten, etwas richtig Gutes gehört zu haben.