Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2009 04.04.

JazzXclamation

Viele (Profi)Musiker orientieren sich am Geschmack des Publikums. Das ist ihr gutes Recht, denn schließlich wollen sie Erfolg haben oder gar berühmt und reich werden, brauchen (Selbst)Bestätigung, um ihr kleines Seelchen zu heilen oder spielen ihr Instrument mehr schlecht als recht einfach nur, damit sie auch wer sind. Und dann gibt es die anderen: denen geht es um die Musik. Denen geht es darum, diese köstliche Art menschlicher Kommunikation einen Schritt voranzubringen, Grenzen auszuleuchten, riskant sich an Extreme zu wagen, auf Hauptströmungen zu pfeifen. Solche wunderbaren Menschen waren am Samstag in Oberweiling zu erleben: Katrin Lemke und ihre innovativen Mitstreiter - alias JazzXclamation - aus Berlin, der Schweiz und Österreich, zeigten mit kühnen Melodielinien, aberwitzigen Harmonieverbindungen und den dazu passenden Rhythmuspatterns, was da alles so möglich ist. Peter Horisberger, technisch versiert und in allen Wassern musikalischer Herzlichkeit gebadet, legte etwa in „Quintenessenz“ ein Schlagzeugsolo hin, bei dem nicht nur Kenner baff waren, Berit Jung zupfte und strich ihren Kontrabass auf eine Art, die einem Rock- oder Bluesgitarrero wie mit der Küchenbürste die Allüren aus den Ohren putzen würde, wäre er nur bereit, zuzuhören. Zoran Terzik weihte das neue alte, frisch gestimmte Oberweilinger Kneipenklavier in die Geheimnisse der Musik ein und entlockte ihm Melodielinien, Klänge und Kaskaden, die sich das 100jährige Instrument - in der dunklen Dachkammer auf seine Bestimmung wartend - nicht im Traum hätte vorstellen können. Und schließlich Mastermind Kathrin Lemke, verantwortlich für die meisten der rauschhaften Musik-Eruptionen, erwies sie sich an Querflöte und Altsaxophon als ebenso virtuos wie witzig und allein schon die oft sehr sinnlichen Titel, etwa „Bubble Shooter“, „Ixilon Yps“, „Recycle Lurch (eine kleine Geschichte des Axolotls)“ zeigten, mit wie viel Lust und Freude hier an die Knochenarbeit des Komponierens gegangen wurde. Über den Titel der Ballade „Brokatrhinozerus“ hat Frau Lemke lange nachgedacht, im „ovalen Portrait“ (Edgar Allen Poes) springt sie mit ihren Mitstreitern mitten ins Herz des Blues und des Rock’n’Rolls - nur um dann das Blut mit Johann Sebastian Bach zu stillen. Weiter so, dann wird alles gut!