Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2008 01.11.

Codumdál

Der Neutöner Béla Bartók hat vor ungefähr hundert Jahren aufgrund seiner Liebe zur Balkan-Folklore und seiner großen Sammlerleidenschaft einen unvergleichlichen Kompositionsstil entwickelt. Tom Waits, Godfather der Melancholie, hat mit seinem düsteren diabolischen Witz der Geschichte der Popmusik eine neue Richtung gewiesen. Ein (noch) unbekanntes Quartett namens Codumdál – musikalisch angesiedelt zwischen Bártók und Waits - debütierte am vergangenen Samstag in der immer internationaler werdenden Kneipenbühne und zog alle Register zwischen osteuropäischer Folklore und Avantgarde. Federführend war dabei ein slowakischer Kreativwüstling namens Tomas Zizka (den Namen sollte man sich merken!), der auf einem skurril und wild gewachsenem Stück Holz (kurz: einer klingenden Wurzel) eine Klangvielfalt produzierte, die jeder Beschreibung spottet. Nun waren wohl die wenigsten der zahlreichen Zuhörer der Sprachen mächtig, in denen Zizka sang. Die Gestik selbst jedoch des Perkussionisten erzählte oft die dazugehörige Geschichte. Und man gewann nicht selten den Eindruck, die jeweilige Story sei frei improvisiert: Das leicht lädierte Mikrofonstativ inspirierte beispielsweise den Wurzelmann dazu, eine Kormorangeschichte zu erfinden, zu singen und mittels zweier Schlagzeugsticks darzustellen. Letztere fungierten als gebrochene Flügel, die konsequenterweise während des Songs regelrecht zerfetzt wurden. In diesem "Talking Blues" erinnerte Zizka zudem stark an die Gérard Depardieus Bravour-Klavierstück im Spielfilm Green Card.
Nun würde man aber dem Quartett in keiner Weise gerecht, würde man nur von Zizka schwärmen. Schließlich gehört Agnes Kutas, ungarische Initiatorin des Projekts, zu den ganz wenigen Geigerinnen, die während eines virtuosen Spiels auch noch gefühlvoll und eindringlich singen können. Agnes meist selbst komponierte Musik wirkte wie „Rauch auf Spuren von Rauch“ (André Heller), stets inspiriert von der Folklore ihrer Heimat und dennoch innovativ (Und irgendwie bietet sich eine Assoziation mit Laurie Anderson an). Dann ist da noch der Serbe Dragan Stojcevski, der auf seinem Akkordeon mit schwer durchschaubaren Balkangrooves brillierte und der sensible Tscheche Jan Holecek, der auf Klarinetten und einer Bassblockflöte geschmackvolle Akzente setzte. Das Konzert von Codumdál jedenfalls war so prall wie das Leben selbst: Weltmusik, die alle Grenzen sprengt.