Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2007 21.04.

Breeze The Creaze

Im Reich der Maya, 
mit einem Auge voll Angst und einem Mundwinkel oben

Was ist das für eine Geschichte, die Golly am Samstag mit seinem unvergleichlichen humoristischen Charme dem gespannten Publikum in der Kneipenbühne zu erzählen beginnt? Hier will uns anscheinend ein begnadeter Didakt Geschichte und Geschichten schmackhaft machen, auf die wir aber ohnehin schon brennen. 
Gefühlvoll und abwechslungsreich interpretierte Songs stellen uns die unheimlichen, liebenswerten und skurrilen Protagonisten dieses Hör-Movies vor und allerspätestens bei dem Instrumental „sad and beautiful life of a jazz musician“ ist man selbst mitten in der Geschichte und diese eigenartige Berührung, die wir schon kennen, wenn wir das Trio Golly, Henning und Jule des Öfteren genießen, macht sich in der Bauchgegend breit. 
Die Musiker überraschen mit einer ganz erstaunlichen musikalischen und persönlichen Entwicklung. 
Jule Weidinger, nicht nur optisch, sondern auch stimmlich Frau geworden, bringt sowohl die kriechende Palomina als auch das Täubchen und die verzagte Verliebte überzeugend rüber. Die vielen verschiedenen Gesichter dieser Gestalt fördern die verschiedenen stimmlichen Möglichkeiten zu Tage, die in der begabten Sängerin stecken. Während man sie in gewohnter Manier mal bluesig, mal jazzig, mal poppig zu hören bekommt, begeistert den einen oder anderen ihre rockige Seite, als sie zugibt, dass sie an allem Schuld ist. 
Henning, der zärtliche Rhythmuskünstler, kann sich in diesem vielfältigen und fantasievollen Arrangement mal so richtig freispielen. Dies machte eine Einspielung von der Konserve auch unbedingt notwendig, denn wie der, der mit den Geräuschen tanzt, auf einer Baustelle und sonstwo die U-Bahn in Chinatown produzierte, durfte dem Publikum nicht vorenthalten werden. Live handelt er das Schlagzeug mit schlafwandlerischer Sicherheit und spielt auch hier in leichter, prägnanter und freier Manier nicht nur die obligatorischen Drums und Becken, sondern kommt auch mit dem Digeridoo, der Maultrommel oder sogar einem Blech daher. 
Trotz der überzeugenden Bühnenpräsentation bleibt ein kleiner Wermutstropfen: Golly musste seine von allen geliebten Saxophone zu Hause lassen. Doch der kreative Kopf des Ensembles erfreute das Publikum mit flinken Fingern auf der „acoustic finger style guitar“, mal mit der Bluesharp, mal pfeifend und bewegte unsere Herzen durch Gesang mit Feeling. Er ist ein Künstler in allen Fasern, sein Projekt sind nicht nur Songs und Stücke, sondern er fordert uns mit einem Gesamtkunstwerk. Literaturenthusiasten kommen ebenso auf ihre Kosten wie Kenner eines feinen und subtilen Humors, der inhaltlich und musikalisch immer wieder aufblitzt. Und wenn sich die Kritiker streiten, ob nun Kunst von Können kommt oder schön sein muss, oder facettenreich oder ob das wichtigste die Botschaft ist – in diesem Fall vollig egal! - alles da. Lo’n’behold: Wer will, kann also auch noch was lernen (sofern es sein Potential zulässt, woran gewisse Journalisten hin und wieder zweifeln lassen).

Wer jetzt wissen will, wie die Geschichte ausgeht, oder hören will, wie Totenstädtische Musik klingt oder Sehnsucht hat nach Gollys Sax oder einfach noch einmal will, der soll sich die CD kaufen. 
Aber ein bisschen was kann man ja noch verraten: Zwischen Independent Pop mit Jazzeinflüssen und akustischem Folkrock gibt es noch einiges zu entdecken: Sanfte Melodien, Liebeslieder, schräge und überraschende Einfälle, echte Indianer, außergewöhnliche Eindrücke und nicht zuletzt eine Freiheit im Denken und Fühlen, die einen für 76 Minuten den ganzen oberflächlichen Alltagsscheiß (pardon) vergessen lassen. Und nochmal 76 Minuten und...
Eine gelungene Synthese aus abgefahrener Komposition und Easy-Listening. Wobei letzteres nur auf den ersten „Blick“ so scheint. Bei mehrfachem Hinhören offenbaren sich wundervolle, oft unerwartete Feinheiten.

(Katja Barinsky und Heike Berghofer)