Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2024 28.01.

Mammenschunz

Mitten in der Nacht ertönte unsere (von außen gesehen) rechts von der Haustüre etwas unglücklich angebrachte Schiffsglocke und riss möglicherweise einige friedlich schlafende Nachbarn aus ihren süßen oder vielleicht auch lasziven Träumen. Wir hatten gerade den neuen Indiana-Jones-Film genossen und waren noch ganz und gar fasziniert von dessen Inhalt, der (besser: die!) Hanne, mich und erstaunlich viele Jahreshauptversammlungs- Teilnehmende (neublöddeutsche Wortschöpfung) über zweieinhalb Stunden gefesselt hatte. 
Um Beschwerden am Wochenanfang – oder gar Zolipeieinsätze noch in der Nacht – zu verhindern, rannten wir zur bereits mit dem kleinen Hebel verschlossenen Tür (oben = zu, unten = auf. Das ist gar nicht so leicht zu händeln und schnell hat man sich ausgesperrt. Die schwierige Händelei gilt übrigens auch für das gesamte Licht- und Tonsystem am und im alten Schulhaus und ums alte Schulhaus rum: es ist immer anders, als man denkt: Läutet man zum Beispiel ‚unten‘, schellt es oben und umgekehrt). Wir rannten also zu Tür, nur, um eine merkwürdige, komplett erschöpft wirkende Gestalt ins mittlerweile ungeheizte Klassenzimmer stapfen zu lassen, die mit watschelgelben Skistiefeln und Fellmütze Siberia® ausgerüstet und eingepackt war in total überdimensionierte röstbraune Winterklamotten (draußen herrschte nämlich mäßiger Frost, na ja, -4° Celsius). Sie (Er? Es? Das Geschlecht konnte wegen der Vermummung nicht bestimmt werden) faselte, sorry, sie falsettierte: 
„Ich bin komplett erschöpft von meiner Rundreise von Forderstob über Kirtenparchen, Brunnsick, Hoschofsbischen und Eierwobling – sorry – Weiberoling … und muss doch trotz Strahnbike zügig wieder zurück nach Stoberford!“ 
Wir verstanden kaum ein Wort.
Es plapperte jedoch ungeniert weiter: „Der Mechanismus von Antikythera ist daran schuld, dass ich …“ – wer den neuen Indiana-Jones-Streifen kennt, weiß, wovon hier geredet wird – er seufzte, dass sie etwas spät dran sei. Wir fanden das interessant und fragten, was es wolle.
„Vier-Chancen-Turnier!“
Ah, deshalb die Verkleidung! Ah, jetzt: Oberstdorf – Partenkirchen – Innsbruck – Bischofshofen und Wobereiling – sorry – Oberweiling!" „Haben wir uns verhört? Vier-Schanzen-Tournee?“
„Ja, Vier-Chancen-Turnier!“ jubelte er/sie/es durch den mit einem extra-dicken, extra langen, offenbar selbstgestrickten und deshalb etwas chaotischen ampelkoalitionsfarbenen Merinowolle-Schal (schätzungsweise 3,579 Meter lang und mindestens 33 cm breit). Das klang aus verständlichen Gründen leicht gedämpft.
Okay. „Vier-Chancen-Turnier?“ fragte ich, weil wir uns nicht vorstellen konnten, was unser Gegenüber – unsere Gegenüberin? – meinte. Schüttelreime der besonderen Art stünden auf dem Programm, ließ uns die vermummte Figur (der vermummelte Figurerich?) wissen. „Fier vür jedes Wort, zum Beispiel: Ladkrecherne, Kradlecherne, Lachkrederne, Krachlederne“.
‚Aha, auf vier Chancen erweiterte Schüttelreime – wieso eigentlich Chancen? Variationen würde wesentlich besser passen!' dachte ich, und Hanne konterte: „Krückenhumel, Hückenkrumel, Kruchenkümel, Kuchenkrümel“.
„Geklaut wird nicht!“ murrte es hinter vorgehaltenem Koalitionsschal. Und dann triumphierend: „Knösenmeidel, Mösenkneidel, Kneisenmödel, Meisenknödel.“ 
Und ich so: „Rasenquitsch, Quasenritsch, Quiesenratsch, Riesenquatsch!“
„Schammenmunz, Mammenschunz, Schummenmanz, Mummenschanz“ kam es zurück und dann noch eins obendrauf als Spontanantwortverdoppler: „Tante-Hikyra, Kante-Hytira, Ante-Kythira, Antik-Ythera!“
Uns wurde es im mittlerweile recht müden Schädel schwurbelig zumute. So gaben wir uns gerne geschlagen und verpassten der (besser: die!) Gästin/ dem Gast ein adäquates monetäres Hauptverjahrungssammels-Quäliavent – sorry – Jahreshauptversammlungs-Äquivalent, bevor wir sie/ihn/es in die frostige, relativ hell erleuchtete aber dichtestostrontz – sorry – nichtsdestotrotz faschingsgeschwängerte Vorfrühlingsnacht zurückschickten und ihm/ihr draußen fröhlich nachwinkten. Am reichlich besternten Himmel prangte jedenfalls ein seit einigen Nächten vergehender Wolfsmond. Schön, dass wir den sehen konnten, mit reichlich rauchartigem Atem vor der Nase zwar, aber fedenjalls ehr serfrischt.
Das/die/der Wesen war ohne Zweifel ein Alien, schaut euch das Foto an! Hanne ist eine absolute Gegnerin1 von Eierbrochenem – sorry: von Eierbroten – jeglicher Art. Somit wird mit beschlagenen (wegen der Außenkälte) Brillen hier und jetzt garantiert, dass keinerlei hazillugonene Drogen im Spiel waren. Außerdem sind wir Alkiantoholiker – und! – Vegetarier.

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der flüssigeren Aussprache (Vermeidung von Glottis-Vollschlag) verzichten wir auf jegliche Genderzeichen (zu denen zählen Binnen-I – z.B. GegnerIn, Doppelpunkt – z.B. Gegner:in, Parenthesen - z.B. Gegner[in], Schrägstrich – z.B. Gegner/in, Sternchen – z.B. Gegner*in, Trema-ï – z.B. Gegnerïn und Unterstrich – z.B. Gegner_in), weisen aber darauf hin, dass stets alle Geschlechter (w/d/m) gemeint sind.