Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2015 19.09.

Raith

Die neue Saison der Kneipenbühne startete am Samstag mit Furore, denn Tanja Raith, Andreas Blaimer und Marco Klement verzauberten unter dem Namen „Raith“ das Klassenzimmer der alten Oberweilinger Schule. Drei gnadenlose Profis mit viel Herz und Verstand präsentierten Eigenkompositionen sowohl mit englischen Texten also auch mit Balladen im bayerischen Dialekt. 
Tanja Raith weiß nicht nur mit warmer, sinnlicher Altstimme alle Register des Rock und handgemachter Volksmusik zu ziehen, sie besitzt auch die Gabe, das Publikum zu begeistern – das gelingt der charismatischen Sängerin vom ersten Moment an, indem sie mit herrlich witzigen und dennoch authentischen Geschichten aus ihrem Leben ihre enorme Bühnenpräsenz würzt. Parallel dazu sorgt Andi Blaimer mit liebenswerten Narreteien wie einem unerhörten Einzähler („Auf die Plätze, fertig, los!“ statt „Eins, zwei, drei, vier“) für gute Laune. Der vorzügliche Regensburger Gitarrist ist stets für intelligente, musikalische Scherze gut und kokettiert – zum Brüllen komisch – mit der Rolle eines introvertierten, unsicheren, konfusen Zeitgenossen, um sogleich mit frappierend intelligenten Gitarrentricks und außergewöhnlichen Soli zu überraschen. Zusammen mit dem E-Bassisten Marco Klement, im Hauptberuf Kirchenorganist, der schon mal eine Wette gewann, weil er am Ende eines Gottesdienstes „Alle meine Entchen“ intonierte, bildet Blaimer eine Art  musikalisches Perpetuum Mobile, das perfekt groovt und mit lückenloser, duftiger Transparenz daherkommt. Auf dieser Grundlage kann sich Tanja Raiths Stimme in jedem Moment entwickeln; und die Raithschwester setzt nicht selten zu ungebremsten Höhenflügen an, voller Soul und mit samtigem Timbre. Zudem gibt es in dem Trio ein paar digitale Hilfsmittel wie etwa eine Loop Station und eine Art erweiterten Vokoder, mit dem, an die Gitarrenakkorde gekoppelt, eine intelligent harmonische, zweite Gesangsstimme errechnet wird. Solche Errungenschaften der Technik werden aber in hohem Maße geschmackvoll, organisch, spielerisch und vor allem sparsam in das musikalische Geschehen integriert und unterstützen die hitverdächtigen Melodien, denen gefühlvolle, sehr persönliche Texte unterlegt sind. Fazit: ein ganz anderer Aspekt im Schaffen der hierzulande sehr populären Raithschwester, der offensichtlich Kompromisse, die dem Kommerz dienen, vollkommen fremd sind. Das ist gut so, das hat Klasse!