Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2019 16.11.

Ronley Teper's Lipliners

Es widerstrebt mir, ein Konzert  zu würdigen, an dem ich selbst beteiligt war – im Fall von Ronley Teper's Lipliners muss ich allerdings eine Ausnahme machen, Unmoral hin oder her. Der kanadischen Performancekünstlerin, deren Musik ich als zeitgenössischen „Nu-Freak-Folk“ bezeichnen möchte, geht es um improvisiertes Musizieren, und sie lädt jeden ein, der sich dazu im Stande fühlt, mitzuhalten. So hat Ronley über die Jahre das „Who is Who“ der kanadischen Avantgarde-Pop-Musik um sich versammelt, um zu jammen und zu produzieren. Dieses ergebnisoffene Verfahren wendet sie auch auf ihren Tourneen an. Und darum hatte ich die Ehre, mit Ronley und ihren großartigen Begleitmusikern, dem Prager Pavel Cingl (Violine) und dem Kanadier Tim Posgate (Banjo, Gitarre), zusammen auf der Bühne stehen zu dürfen, um mit dem Tenorsax ein spannendes Zwei-Stunden-Konzert mitzugestalten.

Ich befand mich auf einer – auf der! – perfekten minimalistisch-musikalischen Welle, um durch die Sphären zu surfen, leicht wie eine Feder melodische Pirouetten zu drehen und mich zu fühlen wie „Einstein On The Beach“. 

Ronley Teper, eine vorzügliche Gitarristin, säuselt und kreischt, knurrt und schreit und erzählt auf diese Weise Geschichten, setzt auch einmal Handpuppen ein, um einen drastischen Streit darzustellen und ist so sehr präsent, dass es manchem im Publikum zu viel zu werden scheint. Dann folgt eine derart gefühlvolle Nummer, dass man schier geplättet ist: „Here comes faith like a river …“ und dann setzt sie sich ans Klavier und spielt, dass es einem schaurig wohl ums Herz wird.

Am heutigen Sonntag spielt das Trio in Prag und ich hätte große Lust, alles liegen und stehen zu lassen und mitzureisen. Aber da siegt wie meistens der Verstand, wenn nicht gar die Vernunft.

Foto und Filme von Volker