Veranstaltungskritiken

Würdigung vergangener Veranstaltungen in der Kneipenbühne:

2019 21.09.

Flez Orange

Ja, ich kann genau dasselbe schreiben wie beim letzten Auftritt von Flez Orange in O’wei  am. 11.11.2017: Und ich tue das auch; nicht, weil ich faul bin – spät nachts –, sondern, weil die alte Kritik all das, was gestern wieder passiert ist, so schön auf den Punkt bringt. (Man braucht sich nur die aktuellen YouTube-Videos anzusehen.) 

„Es begann mit einem zappaesken unisono-Tumult, und spätestens nach fünf Sekunden wusste das Publikum, dass da im wahrsten Sinn des Wortes etwas musikalisch Unerhörtes passiert. Da steht ein Quintett auf der Bühne, dessen Mitglieder sich aufgrund ihrer großen Virtuosität auf ausgeklügelte Arrangements einlassen können, auf Partituren, die bis ins kleinste Detail melodisch, rhythmisch und harmonisch geplant sind; und das alles ohne doppelten Boden, das heißt, ohne jeden lästigen Notenständer. Nach zum Niederknien witzigen Erklärungen des Conférenciers – der sich und seine Geschichten stets neu erfindet – prasselt auf die begeisterten Zuhörer sogleich ein organisch zusammengefügtes Sammelsurium von weltumspannenden Musikstilen ein, das vom verreggaeten niederbayerischen Volkslied über verrockten Klezmer, verjazzten Folk bis zur verwalzerten Polka reicht. Und es wird oft traumhaft sicher mehrstimmig gesungen mit einem Akkordreichtum, den man sonst nur bei Barbershop-Ensembles findet. Verschrobene Siebenachtel- und Neunachteltakte kommen daher, als seien sie das Natürlichste der Welt und komplizierte Breaks landen mit traumhafter Sicherheit auf dem Punkt. Das größte Zauberkunststück der Truppe aber ist, dass beim Lauschen trotz der hohen Komplexität keinen Moment lang der Eindruck entsteht, dass hier irgendwelche Cheftheoretiker am Werk sind. Nein. Hier wird Musik präsentiert, die ausschließlich gute Laune verbreitet. 
Von wem die Rede ist? Von Flez Orange natürlich, einer Band, die den neuerdings bis zum Abwinken bemühten hässlich-zweisprachigen BR-Begriff „Heimatsound“ umstülpt in eine höhere Dimension, wahrscheinlich die fünfte. Die fantastischen Fünf  können nämlich aus einer Blockflöte mühelos eine Blödflocke machen. Dies sei nur am Rande vermerkt.“

Aktuell – Flez Orange war am vergangenen Samstag nach knapp zwei Jahren endlich wieder einmal zu Gast im diesmal bis zum letzten Platz (und darüber hinaus) voll besetzten O’wei. Matthias Klimmer (Klarinette, E-Gitarre, Gesang, Conférencier und Komponist), Veronika Keglmaier (Geige, Gesang), Stefan Fußeder (Akkordeon, Gesang), Jochen Rössler (E-Bass, Gesang) und Maximilian Maier (Schlagzeug, Ukulele, Gesang) bildeten wiederum eine musikalische Einheit, die den Laien zum Jubeln und den Fachmann zum Träumen bringt. Dass Klimmer seine umwerfend komischen Einlassungen hin und wieder an seine musikalischen Mitstreiter delegierte, adelt ihn, zumal das vorzüglich funktionierte. Begeisterungsstürme waren unterm Strich nicht zu vermeiden. Tja, und Mitklatschen wie beim Musikantenstadel haut bei Flez Orange glücklicherweise immerhin nicht immer hin. Das tut gut. Freuen wir uns also aufs vierzigjährige Jubiläum der Kneipenbühne: Im Herbst 2021 treten Flez Orange zusammen mit dem Kabarettisten und Heldentenor Martin Frank im Neumarkter Reitstadel auf. Zwei epochale Entdeckungen der Kneipenbühne zusammen auf einer Bühne! Womit könnte man das noch toppen?

Fotos und Filme von Golly