Geschichte
Wie alles anfing und wie alles weitergeht
Literarisches Speed Dating in der Kulturhalle Berching
(Nachbericht zum literarischen Abend)
Zum literarischen Speed Dating der Extraklasse haben die Stadt Berching und die Organisatorin Gerlinde Delacroix in die Kulturhalle Christoph Willibald Gluck eingeladen. 13 Autoren präsentierten in jeweils sieben Minuten ihre Werke. Gleich nach den ersten Runden konnten sich die Besucher von der enormen literarischen Vielfalt und von den vielen schriftstellerischen Talenten, die es in der Region gibt, überzeugen. Von Satire, Poesie über Heimatromane und Krimis bis hin zur Reisereportage, Kolumne und Kinderbuch waren Werke unterschiedlichster Genres vertreten und die Kulturhalle sehr gut besucht.
Lustige Pfeifengeräusche, Gitarrenklänge zum Liedchen mit dem ulkigen Anfang „Du i häng an Dir, wie der Dreck an der Saustalltür“ vorgetragen von Golly Hertlein stimmten fröhlich auf einen zwanglosen Abend ein. Gleich zu Beginn präsentierte Wortkünstler Bruno Busch Auszüge aus seinem Büchlein „Mensch sind wir que(e)r – Satirische Monologe“ und stellte in „Runtermacher“ fest, dass niemand andere so gut runtermachen könne wie er selbst. „Mit Kunden krieg ich mich immer in die Haare“, schmunzelte er und aus dem Großraumbüro wurde er auch schon verbannt. Mit dem satirischen Monolog speziell über die „Freiheit der Pobacken“ hatte er die Lacher des Publikums auf seiner Seite. Heike Hahn las einige Auszüge aus „Mama, du bist die Schärfste zwischen Nürnberg und Shenzhen“. Unter diesem Titel hat die Autorin aus Schwarzenbruck ihre Reiseerfahrungen und Erlebnisse in China verewigt. Sie erzählt von der 100 Tages-Feier ihres Großcousins und der Ähnlichkeit von deutschen Maultaschen mit dem chinesischen Nationalgericht. Als Frau könne man allein wunderbar durch China reisen, welches ein sehr spannendes Land sei, so ihr Resümee. Ernster und nachdenklicher stimmte das Buch „Intensiv“ von Florian Schmidt das Publikum. Der Autor erkrankte 2019 an Covid 19 und überlebte nur knapp auf der Intensivstation. Als Ich-Erzähler schildert er auf ergreifende Art und Weise seine Corona-Erkrankungsgeschichte und verspricht, sein Buch sei anzüglich, lustig, spannend, traurig, entsetzlich und philosophisch zugleich. Mit einem Kamishibai, einem kleinen Erzähltheater, stellte die Berchingerin Ina Willax stellvertretend für die Autorin Nicola Hengst-Gohlke die Mutmach-Geschichte „Der große Spielplatz braucht Hilfe“, wunderschön illustriert von Nicole Teusler, vor. Der große, ein wenig in die Jahre gekommene Spielplatz, der sprechen kann, möchte, dass Kinder wieder auf ihm spielen. Die Kinder Nele und Jan tüfteln einen klugen Plan aus, wie sie dies erreichen können und retten den Spielplatz gemeinsam. Die Geschichte richtet sich an junge und ältere Leser, die Ideen und Mut haben, sich Gehör verschaffen zu wollen. Seinen Debütroman „Ein Schaben“ hatte Autor Robert Wolfgang Segler aus Fürth mitgebracht. Hier erzählt der jüngere Bruder Tommi über die Depression seines älteren Bruders Michael im Laufe des Lebens. Über 30 Jahre hat es gedauert, bis sich Tommi mit deren schwierigen Bruderbeziehung auseinandersetzen konnte. Die Faszination für Schaben verbindet die Brüder. Sehr detailliert ausgeschmückt liest der Schriftsteller die Passage Weihnachten in der Familie mit der Rede der Mutter, die Pastorin ist, vor. Thematisch völlig anders liest Autorin Claudia Fischer aus Hohenfels aus ihrem Buch „Wohin das Schicksal führt“, Die Szenerie ist im Wilden Westen angesiedelt. Die junge Melanie flieht im Jahr 1863 Hals über Kopf aus Boston, um so nicht unschuldig verhaftet zu werden. Als Mann verkleidet führt sie ihr Weg mit einem Siedlertreck nach Salt Lake City. Hier muss sie gemeinsam mit dem schwer verletzten Jay ein nicht befriedetes Indianergebiet durchqueren. Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und auf höchst packende Art und Weise entführt Fischer die Zuhörer in den Wilden Westen der USA. Als letzte Autorin vor der großen Pause trat Melanie Arzenheimer auf. Die gebürtige Eichstätterin stellte sich als „Mensch vor, der gerne Gedichte schreibt“. Ulkig und urkomisch las sie vergnügliche Gedichte vor und riss das gesamte Publikum in ihren Bann, in dem sie zum Beispiel die Extremsportarten älterer Damen in der Winterzeit vorstellte wie Apfelstrudeln, Quarkauflaufen oder Zwetschgenknödeln. Nun folgte die Pause, bei der sich die Gelegenheit für die Gäste bot, mit dem ein oder anderen Autoren ins Gespräch zu kommen. Passend zum Herbst gab es zur Stärkung deftige Brotzeitstangerl, Zwiebelkuchen, Wein und viele weitere Leckereien. Nach der Pause ging es wieder abwechslungsreich weiter. Als „Pixiebuch für Erwachsene“, so stellte Golly Hertlein seine tragikomische Kurzgeschichte unter dem Titel „Venedig Blues“ vor. Hier dreht sich alles um den Pechvogel Manfred Mohn und die vielen Missgeschicke, die ihm tagtäglich passieren. Tragisch und urkomisch stellt Hertlein die nicht tauglichen Alltagsbewältigungsversuche eines Tollpatsches vor und erntet auch hier nach sieben Minuten viel Applaus wie die anderen Autoren auch. Wie es damals gewesen wäre, wenn Engelbert Huber Deutschlehrer an einer Oberschule zu DDR-Zeiten in Cottbus gewesen und in die Fänge der Stasi geraten wäre? Der Autor und ehemalige Lehrer aus Riedenburg versetzt sich in seinem Werk „Der schmale Grat der Redlichkeit“ in die Person von Lehrer Kötter, einem Fachschaftsleiter, der von einem Tag auf den anderen regelmäßig Berichte über seinen Lehrerkollegen und Freund bei der Stasi abliefern soll: „Sie haben mich gekauft. Die Stasi. Ich habe unterschrieben. Ich muss einen Kollegen bespitzeln!“ Sonst bekommt Kötters Sohn Severin keinen Studienplatz. Severin möchte einen Ausreiseantrag stellen. Das Publikum folgt der Lesung gebannt, bevor es thematisch mit dem „Perchtenerbe“ von Autorin Birgit Arnold weitergeht. „Es hat mich so aufgeregt, dass Perchtenläufe von vielen als Hullygully gesehen werden!“, betont Arnold, die in ihrem Werk die Figur der Frau Percht und den alten Naturglauben genauer ins Visier nimmt. Hier tauchen die grausigen Gestalten der Unterwelt auf, deren Körper auf schauerlichste Art und Weise zusammengesetzt sind und die von Frau Percht auf dem Pferd mit Kleidern aus Fell angeführt werden. „Sie können nicht von dieser Welt sein“, zitiert Arnold aus ihrem Buch und das Publikum hängt gebannt an ihren Lippen. Danach liest die junge Autorin Elisabeth Nesselrode aus ihrem Oberpfalz Krimi „Nebeleck“ vor. Der Krimi basiert auf einem Cold Case Fall aus den 1980er Jahren, der sich in der Heimat der Schriftstellerin zugetragen und von dem sie sich hat inspirieren lassen. Nesselrode bringt in ihrem Prolog eine düstere Atmosphäre in die Köpfe der Zuhörer, stellt das komplexe Gefüge, in das ihre Figuren verwoben sind, vor und macht Lust auf mehr. Es gehe um Außenseitertum, um eine gestörte Dynamik im Dorf, welche die Dorfbewohner dazu bringt, unsagbare Dinge zu tun. Verheißungsvoll und urkomisch präsentiert schließlich Journalist und Autor Mathias Petry seinen Heimatroman „Biberg“ schließlich in der Kulturhalle. Beim Schreiben sei nichts unmöglich und man könne als Schriftsteller die Figuren alles sagen und machen lassen. Nur einen noch nicht abgenutzten Ort zu finden, sei schwierig, daher hat sich Petry was Originelles einfallen lassen. „Ich nehme Sie mit zu einer Probe der Hudlhuber Passionsspiele“, so der Autor, der mit einer sehr humorvollen Vortragsweise besticht. Als letzter Vorleser stellt Geedo Hendrik Paprotta, bekannt als Kolumnist bei der Mittelbayerischen Zeitung „Paprottas Paragrafen“ Kuriositäten aus dem Justizbereich vor. Dabei geht es um „Scheiß RTL“, Kabeldurchbisse von Mardern, nordpreußisches Wildpinkel und vorsätzliches Hin- und Herfahren mit dem Auto. Das Publikum zollte den Veranstaltern mit einem riesigen Applaus ein großes Lob für den gelungenen Leseabend im Herbst.
Thumb: Artikel in der Mittelbayerischen Zeitung vom Montag, 27.11.2023
Fotos: privat