Musik

Gollys CD-Produktionen im 'Knopfstudio' seit 1988

 

2023 03.05.

Styx – Peter Hammer / Golly

Stil: Hard Folk

Die Scheibe gibt's in der Kneipenbühne Oberweiling
Pfarrweg 6, 92335 Velburg  für 15 €
und zum Downloaden/Anhören hier:
Landingpage "Styx"" – bitte anklicken!

 

„Es gibt drei Arten von Menschen – die Lebenden,
die Toten und diejenigen, die zur See fahren.“ 

(einem griechischen Philosophen zugesprochen) 

‚Den Hammer‘ lernte ich vor circa fünfundvierzig Jahren kennen; damals logierte er im ersten Stock der Szene- und Künstlerkneipe „Gregor Samsa“, wo er mir all seine Schätze zeigte: selbst erfundene und mit akribischer Perfektion gebaute Musikinstrumente, einen handwerklich exzellent gearbeiteten Bogen, der Odysseus zur Ehre gereicht hätte, Archäologisches wie Artefakte aus der Steinzeit und der Antike, sinnfreie Schrott-Musikmaschinen, stilistisch angesiedelt zwischen Jean Tinguely und Kurt Schwitters, und nicht zuletzt wunderbar gestaltete surrealistische Ölgemälde. Musizieren war – ich sollte besser in die Gegenwart wechseln – ist nur eine seiner großen Leidenschaften. Eine andere hat er mir vor langer Zeit eines Sonntagmorgens nach einem gemeinsamen Konzert in der Kneipenbühne O’wei bei einem Spaziergang offenbart: Wir stehen auf dem Brückchen zwischen Ober- und Finsterweiling. Der „uomo universale“ (der Universalmensch, der besser ein Zeitgenosse Leonardo da Vincis gewesen wäre) sinniert zunächst darüber, dass man ein kleines Raddampfer-Modell bauen könnte, das, an einem starken unsichtbaren Nylonfaden befestigt, unter der Brücke hindurchgeführt und in die bemerkenswerte Strömung der Schwarzen Laber gesetzt, so aussähe, als ob es sich mit rotierenden Rädern unermüdlich flussaufwärts kämpfte. 
Daraus wird naturgemäß nichts. Dann aber meint der gebürtige Hamburger, der einen Teil seiner Kindheit in einem Amberger Waisenhaus verbracht hat: „Von hier aus könnte ich bis zu meiner Geburtsstätte schippern: von der Schwarzen Laber in die Donau, ins Schwarze Meer, durch den Bosporus ins Mittelmeer, durch die Meerenge von Gibraltar – von wegen hier geht‘s nicht weiter! (non plus ultra, Hiob 3811) – in den Atlantik, an der stürmischen Biscaya-Küste entlang zum Ärmelkanal ... bald schon wäre ich an der Waterkant und könnte von dort aus noch ein Stückchen die Elbe rauf ...“ 
Eine Zeitlang höre ich nichts von ihm.
Ich weiß nicht, ob das Folgende eine verklärende Mär ist oder der Wahrheit entspricht: Man sagt mir, er habe sich die Gaststätte und Kleinkunstbühne „Pfatta Morgana“ (in Pfatter an der Donau) zum Stützpunkt auserkoren und dort einen Katamaran gebaut, mit dem er anschließend tatsächlich bis ins Mittelmeer gelangt sei. Jedenfalls hat er mich zu jener Zeit einmal nach einer Schiffsglocke gefragt. 
Eine schöne, wenn auch unglaubliche Geschichte! 

Peter Hammer hat bei einem Konzert mit mir und unserem gemeinsamen musikalischen Mitstreiter, dem Bassisten Gerd Heide (†) am 19. September 1981 die „Kneipenbühne Oberweiling eröffnet. Gerd ist übrigens neben anderen Urgesteinen der Nürnberger Szene wie Yogo Pausch, Theo Döring und Johnny Hechtel (†) auf Hammers 1978 veröffentlichter Langspielplatte „Wish I Was A Stranger Here“ zu hören (“Brutkasten 850009“, das legendäre Label von Peter „Klecks“ Klimek). Zwanzig Jahre nach der ersten Scheibe hat er zusammen mit Keili Keilhofer – Gäste Curley Kauper (Bluesharp) und ich (Sax, Backing Vocals, Djembe) – in Oberweiling die CD „Live At Golly‘s“ aufgenommen (13. und 14. März 1998, Tontechnik Helmut Meyer, Bestell-Nr. Knopf 99016). 
Im Frühsommer 2010 haben ‚der Hammer‘ und ich nach einigen gemeinsamen Live-Auftritten eine CD-Produktion begonnen, die Hammers Lieder in deutscher Sprache vorstellen sollte. Einige davon sind als englische Version bereits auf der 1998er-CD zu hören. Aus dem Projekt ist aufgrund von Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Konzepts nichts geworden. 
Da Peter seit geraumer Zeit als verschollen gilt und seine Seele auf dem Mittelmeer zur Ruhe gekommen zu sein scheint, habe ich mich dazu entschlossen, ihm ein musikalisches Denkmal zu setzen, damit dieser außergewöhnliche Künstler zumindest in seiner Wahlheimat Nürnberg den Menschen vielleicht im Gedächtnis bleibt. Dass er das damalige Vorhaben – offenbar ein Herzensprojekt auf seine alten Tage – mit Hilfe von Dan Reeder doch verwirklicht und unsere Playlist fast eins zu eins als CD (Titel „Tough Shit“, LC10433, 2011) veröffentlicht hat, habe ich quasi erst nach Fertigstellung vorliegender Scheibe erfahren. Ich glaube dennoch, dass ein „Remake“ richtig und durchaus im Sinne von Peter ist, der ja selbst liebend gerne experimentierte. Bei den damals in O‘wei entstandenen Aufnahmen hat er mir, nebenbei bemerkt, viel Platz für Soli gelassen, den ich nun natürlich gnadenlos ausgenutzt habe. 
Vier Lieder erscheinen auf „Tough Shit“ nicht: Leigh Stoner‘s „Sinking On Dry Land“ in Peters Übersetzung (“Keine Insel in dieser Stadt“), „Segeln übern Brombachsee“, „Maschinen-Intro“ und mein Instrumental „Styx“, das vorliegender CD ihren Namen gibt. 
Hätten wir uns damals einigen können, wäre die Produktion in klanglicher Hinsicht sicherlich transparenter geworden. Trotzdem kann man, glaube ich, mit dem Resultat zufrieden sein. 
Hammers Spuren wurden an einem einzigen Wochenende aufgenommen. Mit der Bearbeitung habe ich knapp zwölf Jahre später begonnen. 

(Golly, im Dezember 2022)  

Hart gestrandet: Text-und Musikbeispiel

Segeln übern Brombachsee
Henning Frank und Golly am 22.4.2023 live in O'wei